Vier dicke Endrohre, ausgeklügelter Diffusor: eine Heckpartie wie ein Kunstwerk

Der Bugatti Chiron Super Sport ist ein faszinierendes Paket aus Leistung und Komfort. Doch seine Tage sind gezählt. Wir haben eine Vorab-Abschiedsrunde absolviert.

Hier wird nicht gebaut, hier wird assembliert

Exakt 500 Chiron wird Bugatti an seinem Stammsitz im elsässischen Molsheim aus jeweils rund 1.800 Einzelteilen per Hand „assemblieren“. Gerade wurde das 400. Exemplar fit für die Übergabe an den künftigen Besitzer gemacht. Dabei handelt es sich um einen Chiron Super Sport mit einer Karosserie aus blankem Carbonfaser mit dunkelgrünem Farbeffekt. Der Countdown läuft nach Plan.

Wie eine Raubkatze: Der Chiron Super Sport überschreitet in Sekunden jedes Tempolimit

Superlative in allen Punkten

Doch was steckt eigentlich in diesem automobilgeschichtlichen Meilenstein, der den Namen des monegassischen Rennfahrers Alexandre Louis Chiron (1899 – 1979) trägt? Die Power-Flunder steht noch voll im Saft, rollt aber dennoch unaufhaltsam aufs Abstellgleis zu. Nicht nur deshalb ist bei der Annäherung an das Hypercar eine ordentliche Portion Respekt angebracht. Speziell, wenn es sich bei unserem Partner für eine Ausfahrt der Superlative auch um einen Chiron Super Sport im Wert von gut 3,8 Millionen Euro handelt. So überwiegt auf den ersten Metern am Steuer des Hypercars eindeutig die Nervosität. Aber nach ein paar Minuten siegt die Faszination über die nicht enden wollende Beschleunigung des Hypercars und den unvergleichlichen Sound der vier dicken Turbolader gleich hinter dem Kopf der Passagiere.

440 km/h Begrenzung

Man muss sich die technischen Daten und die Beschleunigungswerte so richtig auf der Zunge zergehen lassen, um das Gesamtkunstwerk Chiron Super Sport wirklich würdigen zu können. Wobei dabei wohl nicht nur der Blutdruck ausgesprochener Petrolheads steigt: Wer Verbrenner grundsätzlich für Teufelszeug hält, muss beim Anblick dieses deutsch-französischen Luxusprodukts eigentlich sofort nach dem Exorzisten rufen. Es geht nämlich um 16 Zylinder in W-Anordnung, acht Liter Hubraum, 1.600 PS bei 7.000 U/min und ein maximales Drehmoment von ebenfalls 1.600 Newtonmetern. Letzteres ist in der grafischen Darstellung dem südafrikanischen Tafelberg sehr ähnlich: Es liegt durchgehend von 2.250 bis 7.000 U/min an. Bei 440 km/h (!) wird elektronisch abgeregelt. Von null auf 100 Sachen geht es in 2,4, auf 200 in 5,8, auf 300 in 12,1 und auf 400 in 28,6 Sekunden. Noch Fragen zu dieser Traumkarte im Autoquartett?

Wimpernschläge

Na klar, eine ganz entscheidende: Wie fühlt sich das an, wenn diese unglaubliche Kraft an alle vier speziellen Michelin Pilot Sport Cup-Pneus im Format 285/30 ZR 20 losgelassen wird? Um das im öffentlichen Straßenverkehr zumindest ansatzweise nachvollziehen zu können, holen wir bei der Testfahrt rund um Molsheim erst mal einen Vollprofi zur Unterstützung ans Steuer: den Pilote Officiel von Bugatti. Andy Wallace startete je 21-mal bei den 24 Stunden von Le Mans und Daytona, die 12 Stunden von Sebring absolvierte er 19-mal. Sechsmal stand er auf dem Siegertreppchen ganz oben. Anders ausgedrückt: Der Mann versteht was von der Kunst des Fahrens. Wenn er dem Super Sport die Sporen gibt, zieht es dem Beifahrer die Wangen nach hinten und die Mundwinkel nach oben. Ein paar Wimpernschläge und wir sind auf 247 Sachen. Ein Tritt aufs Bremspedal, das Gesicht wird kurzfristig nach vorne deformiert.

Nach dem Fahrerwechsel und dem Eingewöhnen dann bei der ersten sich bietenden Gelegenheit ein mutiger Tritt aufs Fahrpedal. Noch ein bisschen dranbleiben, noch ein bisschen, dann eine Kurve, kräftig bremsen. Die unbeirrbare Präzision, mit der der natürlich allradgetriebene Chiron das mitmacht, ist beeindruckend. Knapp 200 km/h Spitze haben wir auf die Schnelle geschafft, für einen Chiron-Anfänger gar nicht mal so schlecht. Andy hebt den Daumen – das macht Mut, das schier unendliche Leistungspotenzial des Hypersportlers noch weiter auszureizen.

Für Sportwagen-Fans ist das Genuss pur, der von einem Hauch Wehmut begleitet wird. Denn die Produktion des Super Sport und der Baureihe überhaupt neigt sich dem Ende zu, längst sind alle noch kommenden 100 Exemplare verkauft. Anschließend ist der Mistral dran, ein atemberaubender Roadster mit der Technik des Super Sport, aber deutlichen Design-Unterschieden. Obwohl: Dass ein Bugatti anrollt, sieht man auch ihm von Weitem an.

W 16, 1.600 PS: Die wichtigsten Daten zum Antrieb zeigt der Chiron stolz

16-Zylinder

Für den W-16-Zylinder läutet anschließend das Totenglöckchen. Dieses riesige Stück feinster Antriebstechnik mit dieser Leistung und diesem Verbrauch (laut WLTP-Norm 21,5 Liter je 100 Kilometer, CO2-Ausstoß 487 Gramm pro Kilometer, Effizienzklasse G) wirkt ein bisschen wie ein Dinosaurier kurz vor dem Aussterben. Aber seinen Platz in der Ruhmeshalle der Automobil-Historie als eines der schnellsten Autos der Welt hat der Chiron sowieso sicher: Der Super Sport 300+ schaffte 490,484 km/h. Und wer saß bei dieser Rekordfahrt am Steuer? Richtig, es war Andy Wallace. Der bereitet sich inzwischen schon mental auf die Testfahrten mit der nächsten Antriebs-Generation vor – mit deutlich weniger Zylindern und jeder Menge elektrischer Unterstützung.

Rudolf Huber/SP-X

 

Bugatti Chiron Super Sports – Technische Daten:

Zweitüriges, zweisitziges Sportcoupé der Luxusklasse; Länge: 4,79 Meter, Breite: 2,18 Meter (mit Außenspiegeln), Höhe: 1,21 Meter, Radstand: 2,71 Meter, Laderaumvolumen: 44 Liter
Benziner: 8,0-Liter-Sechzehnzylinder-Turbobenziner, 1.176 kW/1.600 PS, maximales Drehmoment: 1600 Nm bei 2.250 – 7.000 U/min, Siebengang-Getriebe, 0-100 km/h: 2,4 s, Vmax: 440 km/h (abgeregelt), Durchschnittsverbrauch: 21,5 Liter/100 Kilometer, CO2-Ausstoß: 487 g/km, Abgasnorm: Euro 6,
Preis: ab 3,808 Millionen Euro (ausverkauft)

Bugatti Chiron Super Sports – Kurzcharakteristik:

Warum: exorbitante Leistung, faszinierendes Antriebs-Konzept, hohe Exklusivität, viel Luxus und Komfort, exzellente Verarbeitungsqualität
Warum nicht: exorbitanter Preis, sehr hoher Verbrauch, winziger Kofferraum
Was sonst: Mercedes-AMG One, Hennessey Venom F5, Koenigsegg Jesko Absolut